Interpellation von Erich Tschümperlin
Votum Erich Tschümperlin zur Beantwortung des Stadtrates
Ich danke dem Stadtrat für die detaillierte Beantwortung.

Auf die Antworten des Stadtrats möchte ich gerne im Detail eingehen, da die
Antworten teilweise widersprüchlich sind und auch die gesetzlichen Grundlagen
fehlen. Dies werde ich hier nachholen, darum fällt mein Votum auch etwas länger
aus.
Der Stadtrat behauptet, dass er nicht illegal gebaut hat. Ich werde mit meinen
Erläuterungen aufzeigen, dass dies Aussage nicht korrekt ist. Es wurde mehrfach
illegal gebaut.

Zur
Antwort auf Frage 1

Der Stadtrat beruft sich
an dieser Stelle auf die Ausnahmen der Bewilligungspflicht in der Planungs- und
Bauverordnung des Kantons Luzern (PBV). Diese Verordnung basiert auf dem
Planungs- und Baugesetz (PBG) des Kantons Luzern.
Ich habe deshalb im Planungs- und Baugesetz nachgeschaut, denn dort sind Ausnahmen
von der Bewilligungspflicht definiert. Die Baubewilligungspflicht ist im § 184
geregelt. Und hier findet man in den offiziellen „Erläuterungen zum PBG“ sehr interessante Ausführungen. Sie sind sehr
detailliert und definieren, wann Ausnahmen zulässig sind und wann nicht. Der
Stellenwert dieser Erläuterungen, auf die ich mich nachher beziehe, ergeben
sich aus der Einleitung dazu auf der Homepage des Kantons[1]:

«Die
Erläuterungen PBG sind ein Hilfsmittel für die Praxis, das den mit der
Anwendung des PBG befassten Personen in den Gemeinden, den Gerichten, der
Privatwirtschaft oder anderen Interessierten dienen soll.

Für jeden
einzelnen Paragrafen sind darin die Ausführungen in den regierungsrätlichen
Botschaften, die Rechtsprechung der Gerichte, Hinweise auf
Ausführungsvorschriften und die Praxis erstinstanzlicher Behörden sowie
Verweise auf die erläuternden Skizzen zu den Baubegriffen und Messweisen, auf
das Muster Bau- und Zonenreglement und auf weiterführende Bestimmungen des
Kantons und des Bundes enthalten.»

Der Stadtrat schreibt, dass im Baurecht nicht alles
schwarz oder weiss sei. Das bestreite ich nicht. Wenn er sich aber die Mühe
genommen hätte, auch die Erläuterungen zum PBG zu lesen, hätte sich der graue
Schleier auch für ihn gelichtet. Dort findet man nicht nur Anwendungshinweise,
sondern auch die wichtigen Gerichtsentscheide zum Thema. Die Erläuterungen
geben übrigens auch über die Anwendung der Verordnung (PBV) Auskunft.
Dass die Erläuterungen nirgends erwähnt und inhaltlich nicht berücksichtigt
werden, hinterlässt bei mir mehr als ein ungutes Gefühl. Ich frage mich, ob man
nicht einfach versucht hat, die Anfrage eines juristischen Laien ins Leere
laufen zu lassen.

Zum Brunnmattschulhaus

Die Hauswartwohnung war
in der ursprünglichen Planung nicht vorgesehen. Die nachträgliche
Nutzungsänderung der Wohnung zu einem Hort ist mit zusätzlichen Emissionen
verbunden.
Ein Hort macht in der Regel deutlich mehr Lärm als ein Hauswartpaar. Gerade
beim Brunnmatt war Lärm bereits früher ein Problem und sogar Thema im
Einwohnerrat.

Abgesehen davon kann man
in den Erläuterungen PBG[2],
Abschnitt Urteile (Seite 3), nachlesen:

«Reparatur- und Unterhaltsarbeiten sind gemäss § 184 Abs. 2 PBG
nicht bewilligungspflichtig. Blosser Unterhalt liegt vor, wenn die vorhandene
innere und äussere Gestaltung, Formgebung, Materialwahl und Zweckbestimmung
einer Baute bestehen bleiben, also nur die mangelhaften Teile ersetzt oder
instand gestellt werden. Reparaturarbeiten sind kleine Ausbesserungsarbeiten
wie beispielsweise das Auswechseln schadhaft gewordener Bauteile von
untergeordneter Bedeutung, nicht jedoch das Ersetzen derselben.»

Dieses
Urteil stammt aus dem Jahr 2016.

In einem weiteren Urteil hält das Gericht bereits
2015 fest, dass Nutzungsänderungen verbunden mit zusätzlichen Lärmimmissionen
eine Baubewilligung brauchen.

Wenn ich die Erläuterungen des Kantons studiere,
gibt es für mich in diesem Fall überhaupt keine Zweifel: hier war von Anfang an
klar, dass es eine Baubewilligung braucht.
Bei Nutzungsänderung im Siedlungsgebiet besteht wohl immer ein öffentliches
Interesse.

Die Aussage, dass erst nach Einreichung der Baupläne dann doch eine Baubewilligung verlangt wurde, ist unverständlich und wohl eine billige Ausrede. Jeder Mitarbeiter mit minimaler baurechtlicher Schulung hätte gewusst, dass es eine Baubewilligung braucht. Offenbar hat die Immobilienabteilung nicht beim Bauamt nachgefragt sonst hätte sie von Anfang an gewusst, dass es nicht ohne geht.
Dies ist nicht akzeptabel und darum gilt auch hier: illegal gebaut.

Krauermodule

Hier muss der Stadtrat wohl die internen Prozesse
und Abläufe angehen.
Wenn der Immobiliendienst statt eines Baugesuchs ein Informationsschreiben
verschickt, dann wissen die Mitarbeiter nicht, dass für ein Baugesuch formelle
Vorschriften gelten.
Das heisst, dass die Mitarbeiter der Immobiliendienst nicht wissen, dass man
eine Baugesuch eingeben muss? Ich kann mir das nicht vorstellen.
Etwas, das bei jedem Bürger, der bauen will, vorausgesetzt wird. Man stelle
sich vor, was einer Privatperson blüht, wenn sie mit Bauarbeiten beginnt und
dann sagt, sie hätte der Stadt ja ein Informationsschreiben geschickt.

Abgesehen davon müsste die Projektleitung
feststellen, dass die notwendige Bewilligung nicht eingetroffen ist. Hier
stellt sich die Frage, wie die Geschäftskontrolle beim Immobiliendepartement
funktioniert. Dass die fehlende Baubewilligung erst auf Nachfrage im
Einwohnerrat bemerkt wird, ist blamabel. Da besteht zweifelsfrei
Handlungsbedarf. Dazu hätte ich gerne ein paar Ausführungen gelesen in diesem
Bericht.

Schulhaus Obernau
1

Beim Obernau handelt es sich um eine noch grössere Nutzungsänderung
mit Umbau und zusätzlichen Emissionen.

Nach der Erfahrung beim Brunnmatt ist es klar, dass
es auch hier eine Baubewilligung braucht.
Zudem ist das Schulhaus im kantonalen Denkmalverzeichnis und Bauinventar als
schützenswert aufgeführt. Hier stellt sich die Frage: Wurde der Denkmalschutz vorgängig kontaktiert und
konnte er Stellung nehmen zum geplanten Umbau?

Als Begründung wird auch bei diesem Projekt der
Zeitdruck angeführt. Die meisten Bauherren haben Zeitdruck und möchten bereits
vor der Baubewilligung loslegen.
Zeitdruck ist jedoch im Gesetz als Ausnahme für eine Baubewilligung nicht
vorgesehen, auch nicht für die öffentliche Hand. §200 im PBG erlaubt den
Baubeginn erst, wenn die Baubewilligung vorliegt.
Zeitdruck lässt hingegen auf verspätete Planung schliessen und dies führt in
der Regel zu Mehrkosten. Der Stadtrat schreibt ja selbst als Begründung für das
fehlende Baugesuch, dass Bauarbeiten umfangreicher wurden als geplant. Offenbar
war der Aufwand für Umbau für drei Kindergärten noch nicht richtig absehbar und
führte dann zu Projektanpassungen.

Der Stadtrat schreibt auch, dass er keine
Baubewilligung hatte und gemäss Gesetz die Arbeiten hätte stoppen müssen. Da beruft
er sich auf Ausnahme Verhältnismässigkeit einer Verwaltungshandlung. Ob diese
so anwendbar ist für illegales Bauen, wo nicht einmal ein Baugesuch vorliegt
bezweifle ich. Aber das führt hier zu weit und zeigt, wie weit weg wir
inzwischen von der rechtlich Normalität sind

Kriens baut in einem schützenswerten Gebäude drei
Kindergärten ohne Baubewilligung ein, klarer Fall: illegal.

Streunebach

Wie der Stadtrat schreibt, verlangen die
Punkte a) bis b) eine Bewilligung. Auch hier ist der Fall klar: die Sanierung
war illegal.
Wenn die zuständigen Stellen nicht sicher, ob es eine Bewilligung braucht, dann
müssen sie zwingend den Rechtsdienst der Stadt konsultieren. Und dieser hätte
erkennen müssen, dass es eine Baubewilligung braucht. Gerade bei Bauvorhaben
ausserhalb der Bauzone muss besonders vorsichtig vorgegangen werden.

Schulhaus Gabeldingen

Das Schulhaus Gabeldingen haben wir bereits separat behandelt.
Der Stadtrat schreibt, dass das nachträgliche Baugesuch nur notwendig wurde,
weil dieser Teil des Projekts nicht umgesetzt wurde.
Genau das habe ich ja mit dem Vorstoss 201/2019 beanstandet, dass man eine
Nutzung zulässt, die nicht bewilligt wurde: Deponie, Parkplätze, Container.
Dass es dafür eine Baubewilligung braucht, hätte der Stadtrat auch ohne
Vorstoss merken müssen.

Der Stadtrat schreibt auch, dass der Endzustand
rechtskräftig bewilligt sei. Im PBG lese ich jedoch, dass Baubewilligungen ein
Verfalldatum haben.

Ǥ 201 Geltungsdauer der Baubewilligung
1 Die Baubewilligung erlischt,

  1. wenn die
    Baute oder Anlage nicht innerhalb von zwei Jahren, vom Tag des Eintritts der
    Rechtskraft der Baubewilligung oder im Fall einer Zivilklage vom Tag der
    rechtskräftigen Erledigung an gerechnet, begonnen wird,
  2. wenn die
    Bauarbeiten unterbrochen wurden und innerhalb einer von der Gemeinde
    festzusetzenden Frist nicht vollendet werden.

2 Die
Gemeinde kann auf Gesuch die Gültigkeit einer Baubewilligung, wenn keine
öffentlichen Interessen entgegenstehen, um längstens drei Jahre erstrecken,
sofern sich weder am bewilligten Projekt noch in dessen nächster Umgebung, noch
an den einschlägigen Bau- und Nutzungsvorschriften etwas wesentlich geändert
hat. Das Gesuch ist vor Ablauf der Frist gemäss Absatz 1a zu stellen.»

Ob die Stadt um eine Fristverlängerung nachgesucht
hat weiss ich nicht, es wäre aber für eine Verlängerung zwingend notwendig
gewesen.

Der Stadtrat schreibt jedoch, dass die
Baubewilligung am 17. April 2013 erfolgte. Soweit ich dies beurteilen kann, ist
diese nach längstens 5 Jahren erloschen.

Und damit
würde die Stadt über keine Baubewilligung mehr verfügen und wohl illegal bauen,
wenn sie kein Baugesuch mehr stellt.

Falls dies so
ist, ist die Aussage des Stadtrats, dass er über eine rechtskräftige
Baubewilligung verfügt bedenklich und eine Blamage.

Fazit

Der Stadtrat schreibt, dass die Bauvorhaben erst
nach Absprache und Freigabe durch die Planungs- und Baudienste gestartet
wurden.
Dies ist rechtlich unhaltbar: Bauarbeiten dürfen gestartet werden, wenn die
Baubewilligung vorliegt. Das steht klipp und klar im PBG. Es zeugt von einem
komischen Rechtsverständnis, wenn man intern Regeln einführt die dem Gesetz
widersprechen.

Zeitdruck als Begründung ist rechtlich nicht
haltbar. Umso mehr als beim Brunnmatt der zusätzliche Raum unerwartet frei
wurde und in der Schulraumplanung gar nicht vorgesehen war.

Zur
Antwort auf Frage 2

Hier schreibt der
Stadtrat nun, dass eine definitive Baueingabe beantragt wurde, deren Eingang
jedoch nicht überprüft wurde.

Weiter oben schreibt er,
dass lediglich ein «Informationsschreiben
zur Erteilung eines definitiven Baugesuchs eingereicht» wurde. Wobei der Stadtrat wohl eher eine
definitive Baubewilligung beantragen wollte, als ein definitives Baugesuch.

Es gibt also zwei verschiedene Antworten auf diese Frage, welche stimmt?

Zur
Antwort auf Frage 4

Die Verantwortung tragen
also die Mitarbeiter auf der untersten Hierarchiestufe.

Hier hätte ich erwartet,
dass sich auch Abteilungsleiter und Stadtrat verantwortlich fühlen.
Sie sind für die Infrastruktur, Arbeitsbelastung und Ausbildung der Mitarbeiter
verantwortlich.

Wenn die Qualität der
Arbeit nicht den Erwartungen entspricht ist die Führung in der Pflicht. Davon
spürt man in der Antwort des Stadtrats nichts.

Schlussbemerkung

Zum Schluss muss ich sagen, dass ich mit der
Qualität der Antworten nicht zufrieden bin.

Es wird auf Zeitdruck verwiesen und man versucht
sich mit Graubereichen und der Planungs- und Bauverordnung (PVB) zu
rechtfertigen, obwohl das Gesetz und die Erläuterungen dazu längst Klarheit
geschaffen haben. Entweder sind die Erläuterungen PBG nicht bekannt – was ich
mir nicht vorstellen kann – oder man versucht sich mit dem PBV rauszureden. Und
die Immobiliendienste wissen nicht wie man ein Baugesuch einreicht.

Dann glaubt man, dass man eine rechtskräftige Baubewilligung
hat für Gabeldingen, obwohl dies vermutlich nicht so ist. Beim Bauen ausserhalb
der Bauzone kennt man die einfachsten Artikel nicht. Baum Krauerschulhaus weiss
der Stadtrat nicht, dass er keine Baubewilligung mehr hat. Schulhäuser werden
ohne Baubewilligungen umgebaut.
Die Antworten sind erschreckend.

Mein Fazit

Ich vermisse die Einsicht des Stadtrats, dass er
nicht immer rechtmässig gehandelt hat.

Deshalb bin ich pessimistisch, ob sich in Zukunft tatsächlich
etwas ändert. Und darum müssen wir weiterhin genau hinschauen, wie der Stadtrat
seine Bauprojekte vorantreibt.

Und ich glaube, dass die Stadt Kriens ein grösseres
Problem im Bereich Baurecht hat.
Die Antworten des Stadtrats lassen keinen anderen Schluss zu. 5 Fälle innerhalb
eines Jahres sind kein Zufall und auch keine Einzelfälle.

Mir ging es bei diesem Vorstoss vor allem um eines:
um die Rechtsstaatlichkeit.

Was für Bürgerinnen und Bürger gilt, nämlich die
Einhaltung der Gesetze ohne Wenn und Aber, soll selbstverständlich auch für die
Stadt, für den Staat gelten.

Wenn der Eindruck entsteht, dass für die Stadt nicht die gleichen Regeln gelten wie für alle andern, dann untergräbt dies unser Staatswesen.
Darum geht es hier und darum können wir dies auch nicht tolerieren.


[1] Planungs- und Baurecht, Erläuterungen PBG,   https://baurecht.lu.ch/Erlaeuterungen_PBG#
[2] § 184, Baubewilligungspflicht,   https://baurecht.lu.ch/-/media/Baurecht/Dokumente/PBG_Neues_Recht/Baubewilligung_und_Baukontrolle_184_205/184.pdf?la=de-CH